„Employer Branding und Kulturwandel gelingen nur, wenn alle Ebenen veränderungsfähig sind. Dazu braucht es Tun, nicht nur Sagen, auch auf Management-Ebene.„
Autoren: Vera Koltermann und Kathrin-Elisabeth Noelle
Die Beziehungsebene von Mitarbeitenden und Organisationen sind komplexer geworden
Die Beziehungen zwischen Mitarbeitenden und Arbeitgebern werden komplexer und volatiler. Dies gilt sowohl für potenzielle als auch für aktuelle Arbeitgeber. Im Vergleich zu früheren Jahren zeigt sich eine deutliche Veränderung. Besonders die Generationen X und Y legen Wert auf Werte-Übereinstimmung. Sie bewerten potenzielle Arbeitgeber anhand vielfältiger Kriterien. Dabei spielen Aspekte wie Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung und Diversität eine wichtige Rolle. Dadurch entsteht ein differenziertes Bild der wahrgenommenen Werte-Kongruenz zwischen Bewerbenden und Unternehmen. Mitarbeitende und Bewerber beobachten genau, wie die Organisation sich verhält. Sie vergleichen jeden Kontakt mit ihren Erwartungen. Stimmt das Erlebte nicht mit den Erwartungen überein, wirkt sich das sofort auf ihre Beziehung zum Unternehmen aus. Dies gilt für aktuelle und zukünftige Mitarbeitende gleichermaßen. Daher wird Employer Branding zu einer wichtigen Aufgabe für das gesamte Unternehmen.
Employer Branding ist kein HR-Projekt
Unternehmen investieren oft in ihre Arbeitgebermarke, wenn sie bestimmte Probleme bemerken. Dazu zählen:
- Rückgang der Bewerbungen
- Sinkende Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeitenden
- Häufige kritische Bewertungen auf Plattformen wie kununu
Diese Probleme führen oft zu längeren Vakanzzeiten und höheren Recruitingkosten. Employer Branding soll die Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Es schafft einen gemeinsamen Orientierungsrahmen nach innen und außen. Viele Unternehmen sehen Employer Branding fälschlicherweise als reines HR-Projekt. Das Management delegiert die Aufgabe oft an die Personalabteilung. Zu Beginn ergibt es Sinn, die Hauptverantwortung dort anzusiedeln, wo sich die Themen People & Culture befinden. So kann HR das Thema vorantreiben und die spätere Umsetzung fördern. Allerdings unterschätzt das Management häufig seine eigene wichtige Rolle in diesem Prozess.
Grund genug, hier mal genauer hinzuschauen.
Die Unternehmensleitung bestimmt die strategische Positionierung der Corporate Brand bei den unterschiedlichen Stakeholder-Gruppen. Die HR-Abteilung erhält in der Regel das Mandat für die bruchfreie Ausgestaltung der Employer Brand. Dabei agiert HR oft in einem herausfordernden Spannungsfeld. Einerseits gilt es, die Basis für langfristig belastbare und sinnhafte Beziehungen der Menschen in den Organisationen zu kreieren. Andererseits findet die tatsächliche Employee Experience zum Teil außerhalb ihrer Kontrolle statt. Und zwar durch die täglichen Interaktionen der Mitarbeitenden und Führungskräfte in der Organisation.
Employer Branding ist Kulturwandel
Früher konzentrierte sich Employer Branding auf die Unternehmensgeschichte. Es ging darum, Stärken und Kulturmerkmale aus der Vergangenheit zu identifizieren. Diese sollten Mitarbeitende verbinden und das Unternehmen nach außen abgrenzen. Heute sieht die Welt anders aus. Wirtschaftliche, ökologische und gesundheitliche Krisen beeinflussen unsere Wirtschaft. Der Fachkräftemangel verschärft sich. Die Babyboomer gehen in Rente. Jüngere Generationen suchen mehr als nur Geld:
- Sie möchten Flexibilität
- Sie wünschen sich eine gute Work-Life-Balance
- Sie benötigen ein starkes „Warum“
Neue Fragen stehen im Mittelpunkt:
- Warum morgens aufstehen?
- Was kann ich hier bewegen?
- Wie kann ich mein persönliches Markenzeichen hinterlassen?
Unternehmen müssen heute Antworten liefern, die in die Zukunft blicken:
- Wo wollen wir gemeinsam hin?
- Was ist unser Beitrag zur Gesellschaft?
Diese Zukunftsperspektive erfordert Dynamik, Veränderungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit. Modernes Employer Branding identifiziert zukunftsrelevante und glaubwürdige Positionierungsfelder. Doch das ist erst der Anfang. Der eigentliche Kulturwandel muss im Unternehmen stattfinden – und zwar auf allen Ebenen.
Kulturwandel gelingt nur, wenn alle mitmachen
Viele Unternehmen diskutieren zuerst über den neuen Typ Mensch und die Skills der Zukunft. Sie konzentrieren sich auf Recruiting und Personalentwicklung. Dabei übersehen sie oft: Der Fisch stinkt immer zuerst vom Kopf her. Wandlungsbereitschaft ist besonders auf den unteren Ebenen wichtig. Wandlungsfähigkeit dagegen betrifft alle Ebenen. Veränderung bedeutet: Anpassung von Strukturen und Prozessen sowie das
Hinterfragen eigener Verhaltensmuster. Gerade dem Management fällt dies oft schwer.
Aussagen wie:
- „Das habe ich schon immer so gemacht.“
- „Ich bin seit 20 Jahren Führungskraft.“
- „Als CEO muss ich mich nicht mehr entwickeln.“
… sind Floskeln, die der Veränderung im Weg stehen.
Die neue Zeit fordert ein neues Unternehmertum, um attraktiv zu bleiben.
Moderne Führungskräfte brauchen heute Charisma und Intellekt sowie Selbstreflexion und Empathie. Führungskräfte müssen als Role Models fungieren und eine neue Haltung vorleben.
Ihre Aufgaben lauten: Menschen inspirieren sowie Mitarbeitende hinter einer gemeinsamen Idee versammeln. Nur so entsteht ein glaubwürdiges Zielbild. Nur so wächst die Begeisterung für Veränderung – in Breite und Tiefe. Diese Begeisterung strahlt nach innen sowie außen und motiviert andere dazu, ebenfalls Teil des Wandels zu werden.
Zwei Erfolgsgeschichten: Praxisbeispiele erfolgreicher kultureller Transformationen
HR und C-Level blicken bei der Implementierung der Employer Value Proposition (EVP) oft durch eine andere Brille auf die Bedarfe in einer Transformation.
Es ist die gemeinsame Verantwortung von C-Level und HR, die Arbeitgeberpositionierung zusammen so in die Realität zu bringen, dass auf der einen Seite das Versprechen nicht völlig losgelöst und unrealistisch festgelegt und eingefordert wird. Und auf der anderen Seite kommen die Erfahrungen im Alltag durch die Führungskräfte (auch die HR-Führungskräfte selbst) so im Verhalten zum Ausdruck, dass das Markenversprechen immer in Verbindung mit der Unternehmensstrategie steht.
Dies erfordert einen zweigleisigen Ansatz: Einerseits muss das Versprechen realistisch und erreichbar formuliert werden, ohne dabei an Attraktivität einzubüßen. Andererseits müssen die Führungskräfte, einschließlich jener im HR-Bereich, dieses Versprechen durch ihr tägliches Verhalten erlebbar machen. Dabei ist es entscheidend, dass die Mitarbeitererfahrungen im Alltag stets im Einklang mit dem Employer Branding und der Umsetzung der Unternehmensstrategie stehen.
Das Leitbild der „Enkelfähigkeit“ bei Haniel
Ein prominentes Beispiel, wie eine umfassende kulturelle Transformation des Unternehmens über alle Ebenen gelingt, ist Haniel. Ausgehend vom Leitnarrativ der „Enkelfähigkeit“ wurden alle Strukturen, Prozesse und People-Themen zu 100 % auf den zentralen Kerngedanken ausgerichtet. Und das bezieht alle Ebenen der Organisation ein:
- Das C-Level verpflichtet sich selbst zu den Werten des „ehrbaren Kaufmanns“ und nachhaltigem Unternehmertum für die nachfolgenden Generationen.
- Der Enkelfähig-Summit bringt C-Level Innovator:innen zusammen mit Gesellschafter:innen, Investor:innen und Start-ups, um neue Chancen und Kooperationen zu identifizieren.
- Es wird nur in Unternehmen investiert, die im „enkelfähig“ Scoring einen bestimmten Cut-Off-Wert erzielen
- Mitarbeitende berichten von „enkelfähig“-Stories. Recruiting sucht Menschen, die das „enkelfähig“-Zielbild mitgestalten wollen.
Durch die 360° Integration des Unternehmensversprechens entsteht eine glaubwürdige Positionierung, die sich in Corporate und Employer Brand auf allen Ebenen ausgestalten lässt.
Maschinenfabrik Reinhausen: Wertebasierte Führung als Erfolgsfaktor
Auch die Maschinenfabrik Reinhausen (MR) ist in diesem Zusammenhang ein sehr erfolgreiches Beispiel. Als „THE POWER BEHIND POWER“ ist sich die Maschinenfabrik Reinhausen (MR) der Veränderungen ihrer Branche sowie ihrer Aufgabe bewusst. Aus strategischen Gründen (“Damit wir ein Stabilisator in volatilen Zeiten bleiben, müssen wir uns verändern.”) wurde bereits im Jahr 2019 von der MR-Unternehmensleitung eine umfassende Transformation beschlossen.
Die MR-Unternehmensleitung hat die kulturellen Aspekte von Anfang an in der Planung der Transformation berücksichtigt und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass diese umfassende Transformation nur durch die aktive Mitarbeit und tiefgehende Integration der gesamten Belegschaft und einer neuen, wertebasierten Führungskultur gelingen kann.
In diesem Zusammenhang wurden 2021 die Transformations Guides von 2Leadership beauftragt, ein Konzept für die Umsetzung des Leadership Essentials Programms für Gruppenleiter, Teamleiter, Abteilungsmeister und Meister vorzustellen. Eine der wichtigsten Zielsetzungen bei der Gestaltung des Leadership Essentials Programmes war sicherzustellen, dass die Lerninhalte aktiv den Eingang in die gelebte Praxis der Führungskräfte – weltweit und über alle Hierarchie-Ebenen hinweg – finden werden.
Daher war insbesondere die Toolbox, mit der die Führungskräfte z.B. praxisorientierte Methoden für das Führen von Mitarbeitergesprächen mit spezifischen Fragestellungen erhalten haben, ein elementarer Bestandteil im Sinne einer langfristig wirksamen Änderung der Führungskultur.
Den Abschluss des Leadership Essentials Programmes bildete das 1-zu-1 Transfercoaching jeden Teilnehmers, das der Transfersicherung des theoretisch gelernten dient. Dieses Transfercoaching bietet eine Plattform für die bewusste Reflektion und situative Anpassung des eigenen Führungsverhaltens und stellt somit über die bewussten Verhaltensanpassungen eine nachhaltige Verankerung der neuen (Führungs)-Kultur sicher. Die Führungskräfte wurden befähigt, über ihr tägliches Handeln eine Verbindung von Strategie und Kultur zu erschaffen und somit die Rahmenbedingungen für eine zukunftsorientierte Kulturentwicklung zu gestalten.
Was kommt, was bleibt?
Wir erleben weiterhin Veränderungen in immer höheren Frequenzen. Die stetig zunehmende Dynamik von Veränderungen außerhalb unseres Einflussbereichs untergräbt massiv die Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und langfristige Umsetzbarkeit von Plänen. Anpassungsfähigkeit, gerade im eigenen Handeln, gewinnt an Bedeutung. „Survival of the fittest“ entwickelt sich künftig auch für Führungskräfte zu einem unausweichlichen Prinzip. Umso wichtiger, dass sie sich selbst zukunftsfit machen. Sie müssen sich befähigen und sich für ihre eigene, lebenslange Lernreise vorbereiten. Denn wenn den Führungskräften der persönliche Wandel nicht gelingt, scheitert dieser auch in der Organisation. Das Ziel lautet deshalb „closing-the-gap“.
Deshalb appellieren wir für mehr GEMEINSAME Veränderung. Eine Veränderung von oben und unten. Eine gemeinsame Veränderung von Management und HR!
Über die Autoren des Beitrags
Gründerin und geschäftsführende Inhaberin Vera Koltermann bringt fast 30 Jahre Berufserfahrung in Markenstrategie, Beratung & Marketing mit. Sie hat in der Zeit Arbeitgebermarken im nationalen und internationalen Kontext verschiedenster Branchen betreut und aufgebaut. Die Beziehungen, die sie mit Kunden, Partnern und Dienstleistern aufbaut, sind geprägt von Vertrauen, Lösungsorientierung und Nachhaltigkeit.
Kathrin-Elisabeth Noelle ist eine erfahrene HR-Expertin und systemische Business Coachin, die Unternehmen dabei unterstützt, ihre Führungs- und Organisationsentwicklung voranzutreiben. Seit 2024 ist sie Transformation Guide bei 2Leadership GmbH. Mit über 20 Jahren Erfahrung im Aufbau und in der Skalierung von HR-Teams und -Strukturen begleitet sie Organisationen von der Start-up-Phase bis hin zur Implementierung globaler HR-Rahmenwerke. Ihr Fokus liegt auf der strategischen Ausrichtung des Personalbereichs an der Unternehmensstrategie, um weltweit skalierbare Bedingungen für alle Mitarbeitenden zu schaffen. Schwerpunkte ihrer Arbeit umfassen Executive Coaching, HR-Transformation und Employer Branding.