„Das Wichtigste für die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden ist die Kultur und dass Führungskräfte wissen, was die eigenen Mitarbeitenden brauchen, damit sie gerne & gesund zur Arbeit kommen.“ Was damit gemeint ist, erläutern Vera Koltermann und Leonard Heygster im aktuellen Artikel.
Mentale Gesundheit in der Arbeitswelt
17,5 %. So groß war der Anteil psychischer Erkrankungen an den Gesamt-Krankmeldungen laut einer Studie der Techniker Krankenkasse (TK) von 2023 (Quelle: TK, 2023). Damit sind psychische Erkrankungen auf Platz 2 angekommen.

Das entspricht 132.000.000 Tagen an Krankmeldungen nur für diesen Bereich (Quelle: Tagesschau, 12/2023), der sich in den vergangenen 10 Jahren somit verdoppelt hat.

Grund genug, hier mal genauer hinzuschauen. Denn in Zeiten, in denen die Bindung motivierter und produktiver Mitarbeitender immer wichtiger wird, um im „War for Talents“ zu bestehen, lässt das mindestens aufhorchen und nachdenklich werden. Vor 10–20 Jahren mag das Thema „psychische Erkrankung“ noch als Malus gegolten haben. In heutiger Zeit ist es nicht nur ein Business Case, sondern auch ein wichtiger Baustein in der Employee Experience für jeden Arbeitgeber. Und wie so oft im Employer Branding geht, es auch hier um Haltung.
Betrachten wir aber zunächst die Grundbegriffe.
Was ist mentale Gesundheit?
Mentale oder psychische Gesundheit (z. B. auch geistige oder seelische) Gesundheit werden vielfach synonym verwendet. Wir folgen dem und sprechen in diesem Beitrag von „mentaler“ oder „psychischer“ Gesundheit, meinen damit aber das Gleiche. Unabhängig von den Begrifflichkeiten ist es wichtig anzuerkennen, dass Gesundheit nicht einfach nur Abwesenheit von Krankheit bedeutet. Es beinhaltet mehr noch auch gesellschaftliche und soziale Aspekte. Gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert sich Gesundheit als „(…) Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.“ (Quelle: Präambel der WHO-Verfassung der WHO 1948 (zitiert nach WHO 2020, S. 1 − eigene Übersetzung). Bezogen auf mentale Gesundheit konkretisiert die WHO diese als einen „Zustand des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv und fruchtbar arbeiten kann und imstande ist, etwas zu seiner Gesellschaft beizutragen.“
Daraus folgt, dass mentale Gesundheit als Voraussetzung für die Entfaltung des intellektuellen und emotionalen Potenzials sowie des Findens der eigenen Rolle in Gesellschaft und Arbeitsleben dient. Dieser Logik folgend entstehen in mental gesunden Gesellschaften wirtschaftlicher Wohlstand, Solidarität und soziale Gerechtigkeit (Quelle: Schlipfenbacher, Carina & Jacobi, Frank. (2013). Psychische Gesundheit: Definition und Relevanz. Public Health Forum.).
Inwieweit lassen sich diese Erkenntnisse für die Arbeitswelt nutzen?
Mentale Gesundheit ist eine strategische Investition
Unter dem Label „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ (BGM) ist ein ganzheitlicher Ansatz für das Personalmanagement entstanden, das z. B.
- Ganzheitliche Programme für das Wohlbefinden
- Ressourcen für psychische Gesundheit
- Schulung von Führungskräften
beinhaltet. Unternehmen verstehen immer mehr, dass gesunde Mitarbeitende ein wichtiger Schlüssel zum Unternehmenserfolg sind. Und doch fehlt unter dem Label häufig der Bezug zu kulturellen Aspekten. Und um die geht es doch im Employer Branding! Eine gute Verbindung stellt Natalie Lotzmann her, wenn sie sagt: „(…), dass das Wichtigste für die Gesunderhaltung von Menschen die Kultur ist, (…) die Rahmenbedingungen, wie sie behandelt werden, wie sie geführt werden, wie sie motiviert werden (…). Ob sie sich wohlfühlen, ob sie gerne zur Arbeit kommen, was ganz große Auswirkungen auf das Befinden und damit auch auf die Gesundheit hat (…).“ Aber auch: „Das allerwichtigste ist natürlich, dass das zur Kultur passt, dass man weiß, was seine eigenen Leute brauchen.“ (Quelle: https://www.hr-heute.com/podcast/health-well-being-hkm30). Und da ist sie wieder: die (kulturelle) Passgenauigkeit. Das, um das sich alles dreht im Employer Branding.
Entscheidend ist die Passung von „wann“ und „wie“
Bei der Frage nach dem wann und wie der Unterstützung mentaler Gesundheit als Arbeitgeber, zeigt sich, dass der Effekt im Sinne des Return-of-Investment (ROI) dann besonders groß ist, wenn Bewusstmachung und Trainings universell und präventiv erfolgen (Quelle: Deloitte, 03/2022). Heißt: nicht nur Weiterbildung und nicht erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Sondern durch gezielte Angebote klare Haltung als Arbeitgeber zeigen. Und: natürlich durch die richtige Führungskultur diese Haltung glaubhaft erlebbar machen. In einer aktuellen Studie der TK (what’s next Studie) gaben 38,5 % der Befragten an, dass psychische Belastungen eine große Bedeutung in ihrem Unternehmen haben. Und 60 % der Befragten gaben an, dass die Führungskräfte als Vorbild beim Thema BGM
eine große Rolle spielen. Doch geben nur 24 % der Befragten aus dem aktuellen Gallup Engagement Report (Gallup, 2023) an, dass sie ihrer Führungskraft vertrauen und nur 27 % finden, dass ihre Führungskraft auf ihre Stärken fokussiert. Ohne Vertrauen geht es aber nicht und offenbar gibt’s da noch viel Luft nach oben.
Challenge accepted: Impulse für Arbeitgeber
Die Lösungsansätze, durch die Haltung und Führung zu mentaler Gesundheit erlebbar werden, reichen von Klein bis Groß. Hier eine Auswahl.
a. Mindful Culture Hacks
Darunter verbergen sich viele kleine, fast subtile Interventionen, die leicht umsetzbar sind, aber Wirkung erzeugen, z. B.:
- Meetings immer mit 5 Minuten Puffer in den Kalendereinstellungen
- Jedes Meeting beginnt mit der Frage: „Wie geht es Dir gerade in einem Wort?“
- Arbeitsmeetings beenden mit sog. Stimmungskarten, um Commitment und Team-Spirit zu fördern
- Achtsamkeits-Apps wie etwa „One Sec“ auf Firmen-Handys vorinstallieren
- Mitarbeitenden-Gespräche grundsätzlich starten mit 2–3 min. „Wie geht es Dir?“ und nicht einfach darüber weggehen, sondern sich einlassen und im Zweifel fragen „Wie geht es Dir wirklich?“
- Mitarbeitenden-Gespräche öfter als 1x pro Jahr durchführen, am besten mindestens quartals- oder sogar monatsweise. Wer seinen Mitarbeitenden diese Zeit einräumt, macht deutlich, dass auf Arbeitgeberseite wirklich eine Haltung der Personen-Orientierung herrscht und nicht „nur“ eine Sach-Orientierung.
- Patenschaften im Team vergeben und aufeinander achten.
b. Inventur-Workshops
Im Workshop wird der Status quo der aktuellen BGM-affinen Strukturen und Prozesse im Hinblick auf das Arbeitgeberversprechen auf Bruchstellen hin analysiert. Es wird in CoCreation ein gemeinsames Zielbild definiert und Maßnahmen-Steckbriefe (S, M, L) entwickelt. Zum Schluss wird ein konkreter Fahrplan in der Plan-Do-Check-Act (PDCA) Logik verabschiedet, mit klaren Verantwortlichkeiten und Timings, um Nachhaltigkeit sicherzustellen. Diese Workshops bietet auch Lucky you unter Federführung von uns – Vera Koltermann & Leonard Heygster – gerne an. Wir verstehen es als Investition für mehr Hilfe zur Selbsthilfe. Bei Interesse daran schreib uns gerne eine E-Mail.
c. Trainings für Führungskräfte & Mitarbeitende
Je nach BGM-Reifegrad und Unternehmensgröße können auch umfangreichere Trainings zum Einsatz kommen. Hier gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Entlastungs- und Förderprogrammen, zwei seien hier exemplarisch genannt:
empCare ist ein Programm speziell für Pflegepersonal. Das Ziel liegt darin, nicht nur die Empathie gegenüber anderen zu stärken, sondern auch einen reflektierten Umgang mit der eigenen Empathie und Selbstfürsorge zu entwickeln (Quelle: https://www.empcare.de).
Das Employee Assistance Programm (EAP) soll insbesondere Führungskräfte entlasten. Es richtet sich an Führungskräfte und Mitarbeitende und hat sehr niedrige Zugangsbarrieren. Das Ziel liegt darin, Gesundheit, Gleichgewicht und Leistungsfähigkeit zu fördern sowie mentale Stabilität zu gewährleisten (Quelle: https://www.eap.de/de/;
https://mittelstandsschutz.de/magazin/eap-mitarbeiterzufriedenheit/).
Ein Ausblick in die nahe Zukunft
In oben genannter „what’s next“ Studie der TK glauben 70 % der Befragten, dass das Thema mentale Gesundheit in den nächsten drei Jahren an Bedeutung zunehmen wird. Ähnlich ist auch unsere Einschätzung. Arbeitgeber, die heute anfangen, darin zu investieren, tun nicht nur etwas für Wohlbefinden und Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden. Sie investieren auch in Bindung dieser und somit in die Zukunftsfähigkeit ihrer eigenen Organisation. So wie in einem gesunden Körper ein gesunder Geist lebt, entstehen gesunde Organisationen nur mit gesunden Menschen.